Das ANRIL-Gen als kardiovaskulärer Marker

Wissenschaftliche Hintergründe

Gentests untersuchen DNA-Sequenzen, um Varianten (Mutationen) in Genen zu identifizieren, die eine genetische Störung verursachen oder das Risiko dafür erhöhen können. Die genetische Information ist in der DNA eines Menschen gespeichert. Die DNA, oder Desoxyribonukleinsäure, enthält die Gene, die bestimmen, wer wir sind. Sie enthält den Code für alle Proteine, die unser Körper herstellt. Die Proteine wiederum bestimmen die Struktur und Funktion aller Zellen. Der größte Teil der DNA befindet sich jedoch im Zellkern (ein kleiner Teil der DNA ist auch in den Mitochondrien zu finden), während die Proteine an den Ribosomen im Zytoplasma hergestellt werden. Wie gelangen die Anweisungen in der DNA an den Ort der Proteinsynthese außerhalb des Zellkerns? Durch ein kleines Molekül, die Ribonukleinsäure (RNA), die sich durch Poren in der Kernmembran zwängen kann. Die RNA transportiert die Informationen von der DNA im Zellkern zu einem Ribosom im Zytoplasma und hilft beim Zusammenbau des Proteins. Kurz gesagt: DNA → RNA → Protein (das so genannte zentrale Dogma der Biologie). Manchmal verhindern Veränderungen in einem Gen, sogenannte Mutationen, dass ein oder mehrere Proteine richtig funktionieren. Dies kann dazu führen, dass sich Zellen oder Organe verändern oder ihre Funktion verlieren, was zu einer Krankheit führen kann.

 

Gilt das zentrale Dogma immer?

 

Durch die Genomstudien der letzten Jahre sind viele Ausnahmen von diesem Dogma bekannt geworden. So ist inzwischen bekannt, dass ein Großteil der DNA, die nicht für Proteine kodiert, für verschiedene Arten funktioneller RNAs kodiert.

 

Etwa 98 % der transkribierten RNAs in der Zelle haben keinen offenen Leserahmen, d. h. keine Fähigkeit zur Proteinbildung. Früher wurden sie als transkriptionelles Rauschen betrachtet, aber mit zunehmendem Wissen wurde ihr Potenzial für die Regulierung verschiedener Mechanismen erkannt. Eine Art dieser untranslatierten Elemente sind lange nichtkodierende RNAs (long non-coding RNAs, lncRNAs) mit mehr als 200 Nukleotiden Länge. Sie modulieren die Expression von Genen, um biologische Prozesse wie Zellwachstum und -entwicklung, Angiogenese und Entzündungen fein abzustimmen. Dementsprechend sind die Spuren von lncRNAs bei vielen Erkrankungen wie Krebs, Alzheimer und kardiovaskulären Beeinträchtigungen zu finden.

 

Der größte Anteil an der kardiovaskulären Maut wird der koronaren Herzkrankheit (KHK) zugeschrieben. Genetische Merkmale tragen wesentlich zur Entwicklung von Atherosklerose in den Koronararterien bei. Genomweite Assoziationsstudien haben gezeigt, dass atherosklerotische Gefäßerkrankungen, KHK, Schlaganfall, Herzinfarkt und Aortenaneurysma alle mit Chromosom 9p21 assoziiert sind. Diese Art der Assoziation ist unabhängig von traditionellen Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Fettleibigkeit, Rauchen oder Störungen des Lipidprofils. Die mit kardiovaskulären Erkrankungen assoziierte Region auf 9p21 befindet sich in den letzten Exons einer langen nichtkodierenden RNA, nämlich ANRIL (antisense non-coding RNA in the INK4 locus; auch als CDKN2BAS bekannt).

 

ANRIL ist ein komplexes Gen mit mindestens 21 Exons. Es ist an verschiedenen Komponenten des Atheroskleroseprozesses wie vaskulären Endothelzellen, vaskulären glatten Muskelzellen, mononukleären Phagozyten und atherosklerotischen Plaques beteiligt. Die Regulierung der Genexpression ist die Hauptfunktion von ANRIL. Es wirkt nicht nur lokal, sondern auch aus der Ferne über Chromatinmodulation, Bindung an Transkriptionsfaktoren und Regulierung von miRNAs. Darüber hinaus unterliegt ANRIL einem komplexen gewebespezifischen Spleißmuster, das zur Produktion mehrerer linearer und zirkulärer Isoformen führt. Je nach der Häufigkeit seiner linearen oder zirkulären Isoformen könnte es eine fördernde oder schützende Rolle bei der Atherosklerose spielen. Außerdem könnte ANRIL ein wirksamer prognostischer Indikator für die koronare Herzkrankheit (KHK) sein.

 

Polymorphismen im ANRIL-Gen werden mit dem Risiko für atherosklerotische Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Verbindung gebracht, so dass ihre Genotypisierung einen Hinweis auf eine genetische Prädisposition für diese Krankheiten geben kann. Mit AProof® Gesundes Herz werden Erbanlagen mittels qualitativer Genotypisierung der aus Trockenblut isolierten genomischen DNA untersucht. Folgende Einzelnukleotid-Polymorphismen im ANRIL-Gen werden dabei bestimmt: rs1333049, rs2383207, rs4977574, rs10757278 und rs10757274.

 

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Referenzen:

 

Understanding Genetics: A New York, Mid-Atlantic Guide for Patients and Health Professionals. Washington (DC): Genetic Alliance; (2009) APPENDIX A, BASIC GENETICS INFORMATION. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK115558/

 

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