Ist das Ende der Pandemie in Sicht?

Im dritten Corona-Jahr sind 77,6 % der Bevölkerung in Deutschland mindestens einmal gegen COVID-19 geimpft. 75,9 % haben einen vollständigen Impfschutz erhalten. Aktuell werden aber wieder steigende Fallzahlen registriert: Die 7 Tage-Inzidenz liegt im gesamten Bundesgebiet bei 331,8 Fällen pro 100.000 Einwohner. Das geht aus dem Lagebericht zur Coronavirus-Krankheit-2019 des Robert Koch-Instituts (RKI) hervor (Stand: 13.06.2022). Liegt in Deutschland eine ausreichende Immunität vor oder erwartet uns eine neue Welle durch die Omikron-Varianten BA.4/5 oder BA.2.12.1?

 

 

Repräsentative Studien geben Auskunft über Immunität

 

In Deutschland fehlen bislang repräsentative Studien zum Antikörperstatus der Bevölkerung. Eine solche Studie gibt es beispielsweise in Großbritannien: 99 % der britischen Bevölkerung weist demnach Antikörper durch Impfung, Infektion oder einer Kombination aus beidem auf. Dort wird von einem Schutz in der Bevölkerung ausgegangen - rückt das Ende der Pandemie also näher?

Für den Antikörperstatus der Bevölkerung in Deutschland liegen bislang nur Schätzungen vor: 93 % sollen Antikörper gegen SARS-CoV-2 aufweisen. Ende Juni will das RKI eine repräsentative Studie dazu veröffentlichen.

 

 

Welle im Herbst/Winter 2022/23 unterscheidet sich von vorigen Wellen

 

Der ExpertInnenrat der Bundesregierung zu COVID-19 spricht in der 11. Stellungnahme “Pandemievorbereitung auf Herbst/Winter 2022/23” trotz der Impfempfehlung für alle Menschen ab 5 Jahren von einer “relevanten Impflücke”. Dennoch liege durch die bisherigen Impfungen und die durchgemachten Infektionen eine “breite Basisimmunität gegenüber SARS-CoV-2 vor.” Die Immunität nimmt allerdings im Laufe der Zeit ab (Immune Waning) - gleichzeitig können Varianten von SARS-CoV-2 und andere Atemwegserreger im kommenden Herbst/Winter eine deutliche Belastung für die (gesundheitliche) Infrastruktur darstellen. Insbesondere bei Säuglingen und Kindern wird mit einer stärkeren Infektionswelle gerechnet.

 

 

Mögliche Szenarien für den Herbst/Winter 2022/23

 

Der ExpertInnenrat erstellte drei mögliche Szenarien der weiteren Virusevolution für Herbst/Winter 2022/23: 

 

  1. Günstigstes Szenario

 

Es dominiert eine neue Virusvariante, die im Vergleich zu den Omikron-Stämmen eine noch verringerte Wirkung hat. Bei Älteren kommt es durch die Infizierung zu einer geringen Krankheitsschwere; bei immunisierten Erwachsenen erfolgt eine kaum merkliche Beeinträchtigung des Gesundheitsempfindens. Auf stark eingreifende Infektionsschutzmaßnahmen wird deshalb verzichtet oder diese werden nur auf Risikopersonen beschränkt. Die Zahl der Infektionen durch andere Atemwegserreger wird aufgrund der fehlenden Kontaktbeschränkungen im Vergleich zum Vorjahr steigen. Besonders Kinder sind hiervon betroffen, daher wird insbesondere die Infrastruktur der Kinder- und Jugendmedizin belastet. Eltern fehlen dadurch häufiger am Arbeitsplatz. Das Tragen von Masken in Innenräumen beeinflusst die Lage positiv.

 

  1. Basisszenario

 

Die Krankheitslast durch SARS-CoV-2 ähnelt der Krankheitslast durch die Omikron-Varianten BA.4, BA.5 und BA.2.12.1. Infektionen und Arbeitsausfälle häufen sich in der gesamten kälteren Jahreszeit - über mehrere Monate und in Wellen. Die Intensivmedizin ist durch COVID-19 nur moderat belastet, trotzdem werden Maßnahmen des Übertragungsschutzes (Abstand und Masken in Innenräumen) sowie Maßnahmen der Kontaktreduktion (Obergrenzen für Veranstaltungen) erforderlich. Die Belastung für die jüngeren Altersgruppen und damit für die Kinder- und Jugendmedizin fällt dadurch vergleichsweise geringer aus.

 

 

  1. Ungünstigstes Szenario

 

Es dominiert eine neue Virusvariante mit erhöhter Krankheitsschwere und höherer Übertragbarkeit durch verstärkte Immunflucht. Vollständig Geimpfte mit Risikofaktoren (Alter, Schwangerschaft, Grunderkrankungen, Immunsuppression) entwickeln ohne weitere Impfung einen schweren Verlauf. Dadurch kommt es zu einer starken Belastung des Gesundheitssystems. Kontaktbeschränkungen werden wieder notwendig. Im Frühjahr 2023 könnten Schutzmaßnahmen (Maskenpflicht, Abstandsgebot) wieder zurückgefahren werden, wenn Impfzentren reaktiviert und eine eindämmende Nachimpfung großer Bevölkerungsabschnitte erreicht ist. Die Schutzmaßnahmen verhindern die Verstärkung der Inzidenz von COVID-19 und anderen Atemwegserkrankungen bei Kindern. Eine Überlastung der Kinder- und Jugendmedizin-Infrastruktur ist unwahrscheinlich. Die Saisonale Influenza-Welle fällt weniger schwer aus.

 

 

Quellen:

 

 

https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Jun_2022/2022-06-13-de.pdf?__blob=publicationFile

 

https://www.br.de/nachrichten/wissen/ist-corona-vorbei-wenn-alle-antikoerper-haben,T8dGav8

 

https://www.bundesregierung.de/resource/blob/975196/2048684/0e393c7cf5d2b3a556fa6a8df6352d11/2022-06-08-stellungnahme-expertinnenrat-data.pdf?download=1

 

Bildnachweis:
 

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