Schutzquote statt Impfquote?

In einer öffentlichen Anhörung wurde am 06. April 2022 der Antrag der Fraktion der CDU/CSU “Planungssicherheit geben und gemeinsam europäisch handeln – Dauer des Genesenen-Status wieder auf 180 Tage anheben und einheitliche Quarantäneerleichterungen für reisende Familien mit Kindern” diskutiert. Es kamen die Einzelsachverständigen Prof. Dr. Onur Boyman (Universitätsspital Zürich), Prof. Dr. Franz C. Mayer (Universität Bielefeld), Werner Möller (Initiative Pflege für Aufklärung), Prof. Dr. Hendrik Streeck (Universitätsklinikum Bonn) und Dr. Thomas Voshaar (Stiftung Bethanien Moers) zu Wort.


Die Bundesregierung ändert die Dauer trotz Europäischer Empfehlung


Die Europäische Empfehlung für die Dauer des Genesenen-Status liegt bei 180 Tagen. Zwar hatte dafür auch die Bundesregierung gestimmt - die Dauer des Genesenen-Status im eigenen Land aber auf 90 Tage halbiert. 


Diese zeitliche Einschränkung sei aber eine rein regulatorische Maßnahme, denn aus medizinischer Sicht sei eine solche zeitliche Begrenzung des Genesenen-Status nicht sinnvoll. Das erörterte der Einzelsachverständige Dr. Thomas Voshaar und unterstrich damit die Ausführungen von Prof. Dr. Matthias Tenbusch von der Gesellschaft für Virologie: “Es besteht [...] keine wirkliche klare Datenlage dafür, dass der Schutz wiederum nach 90 Tagen vorbei sein sollte. Das war überwiegend der Tatsache geschuldet, dass sich das Virus verändert hat. Jetzt geht man wieder von einem längeren Schutz aus, sofern das Virus relativ stabil bleibt.” Hier schließt sich auch Prof. Dr. Hendrik Streeck an und betont, es gebe “keine wissenschaftliche Grundlage für die Begrenzung des Genesenenstatus auf 90 oder 180 Tage”. Der Genesenenstatus von aktuell 90 Tagen ist ohnehin nur für nicht-Geimpfte Genesene relevant. 


Sollten Genesene und Geimpfte im Sinne der Immunität gleichgestellt werden?


Zunächst sprach sich Prof. Dr. Matthias Tenbusch von der Gesellschaft für Virologie dafür aus, die Immunität von Genesenen und Geimpften gleichzusetzen. Prof. Dr. Hendrik Streeck bezeichnet diese Unterscheidung als nicht medizinisch-wissenschaftlich begründbar. Hierzu betonte auch Professur Onur Boymann, dass Geimpfte zwar einen kontrollierteren Schutz vor einem schweren Verlauf hätten. Schlechter geschützt seien Genesene im Vergleich zu Geimpften aber nicht. In beiden Fällen beruhe die Immunität auf Antikörper und T-Zell-Antwort und schütze damit signifikant vor schweren Verläufen.


Prof. Dr. Streeck schlägt Antikörperstatus als Parameter für Immunität vor


Bei der Beurteilung der Bevölkerungsimmunität stellte Streeck die Fokussierung auf die Impfquote in Frage - vielmehr sollte von einer Schutzquote gesprochen werden. Für die kommenden Sommermonate schlug er deshalb die Durchführung einer groß angelegten Antikörper-Panelstudie vor, um die Schutzquote für den Herbst und Winter bestimmen zu können. Eine zeitliche Begrenzung des Schutzes sieht er kritisch:  “Als Arzt würde ich es eher an Parametern festmachen wollen, wie zum Beispiel das Vorhandensein von Antikörpern im Blut.”



Quellen:


Deutscher Bundestag: Experten sehen guten Schutz auch für von Corona-Genesene https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2022/kw14-pa-oeffentl-anhoerung-gesundheit-885642


Deutscher Bundestag, Ausschuss für Gesundheit: Wortprotokoll Nr. 20/20 https://www.bundestag.de/resource/blob/891054/1802869ce1eb0a3b017c25ef32b8c45d/5_20_06-04-2022_formatiert-data.pdf


änd Ärztenachrichtendienst: Streeck: „Keine wissenschaftliche Grundlage für 90-Tage-Beschränkung“

 https://www.aend.de/article/217570